wie alles begann
Das Kune ist heute eine Kiezbar mit kuscheligem Innenbereich und großem Freisitz auf der belebten Eisenbahnstraße. Mit richtig tollen Cocktails und regionalem Fassbier. Dazu kam das TRAGO als Tagescafé mit leckeren hausgebackenem Kuchen und bestem Barista-Kaffee.
Doch wie sind diese Orte entstanden?
Natürlich aus einer fixen Idee.
Und die Geschichte dazu kommt jetzt.
Kapitel 1
Ich bin Anna und Mitte zwanzig. Ich LIEBE es, in Bars zu gehen.
Da bin ich, ehrlich gesagt, so 5-6 Mal die Woche.
Ich habe eine Stammbar. Natürlich.
Die “Mutter” in Kassel. Das Tolle an der Mutter ist, dass dort alle zusammen kommen: Studis, ältere Leute, Punks, Normalos, Frauen, PoC und alle, die ich vergessen habe.
Kurz: ich finde es großartig, dass ich mich allein als Frau an die Bar setzen kann ohne mich als Ausnahme oder komisch zu fühlen. Ich kann hier ganz entspannt meinen Drink schlürfen und manchmal easy mit meinen Barfriends quatschen oder Mexikanerrunden hin und her schicken.
Von dieser tollen Bar erzähle ich allen. Und hier verbringe ich viele schöne Stunden, die mich noch immer prägen.
Kapitel 2
Als ich nach Leipzig ziehe, will ich natürlich in den Osten. Warum? Weil ich mich hier direkt am wohlsten fühle – hier ist es großstädtischer, der internationalste und lebendige Stadtteil in Leipzig.
Und es ist 2015 – Es gibt Platz für Ideen.
Nur leider gibt es hier noch keine kuschelige Bar, die reguläre Öffnungszeiten hat.
Ich brauche mehr. Und nachdem ich wochenlang wie alle anderen ein von Nachbar*innen selbst gedrucktes Programmheft herumreiche wie heiße Ware, nur um zu wissen, welcher versteckte Verein heute Abend seine Theke mal wieder öffnet, platzt es mir heraus:
“Warum gibt es denn hier nichts, wo man entspannt und gemütlich Kaffee und Bierchen bekommt – und zwar JEDEN TAG?”
– “Dann musst du es selbst machen”, antwortet mir mein damaliger Freund. (jetzt Mann)
“Okay”, habe ich gesagt. Dann haben wir uns zugeprostet. Mit unserem Späti-Bierchen auf der Parkbank.
Kapitel 3
Klar hat das schon der eine* oder die andere* gesagt. “Ich will ein Café oder eine Bar aufmachen.” Doch die Realität sieht meist nicht nur so romantisch aus.
Aber ich bin hartnäckig. Und meine Frustrationstoleranz ist hoch. Und ich bin Migrant*innenkind mit abgeschlossenem Architekturstudium und Berufserfahrung. Bisher habe ich nicht so schnell aufgegeben, auch wenn es fordernd war, warum jetzt?
Und wenn das nicht klappt, hätte ich meine Eltern enttäuscht.
So wie die haben viele geschaut, als ich von meiner Idee erzählt habe – “du hast den Tresen nur von einer Seite gesehen.”
“Du hast nicht mal Startkapital.”
Das hat mir übrigens auch keine Bank geben wollen, sondern der Freunde und Nachbar*innen aus dem Kiez. Per Crowdfunding.
Kapitel 4
Es war wirklich kein leichter Weg. Bis ein geeigneter Ort gefunden und die Formalitäten geklärt waren, verging ein gutes halbes Jahr. Und die Bar war noch immer nicht offen.
Ausgebaut habe ich nach dem charmanten Motto: work in progress.
Die Gewinne habe ich immer wieder in die Verschönerung reinvestiert.
Klar wäre es leichter gewesen, von vorn hinein alles zu können, alles zu wissen und perfekt ausgestattet zu starten.
Aber gerade das etwas Imperfekte und den Weg gemeinsam mit dem Kiez zu gehen, das fand ich immer sehr bereichernd.
So habe ich meine und immer mehr unsere Stärke entwickelt – das Beste draus zu machen, sich schnell anzupassen, effizientere Lösungen zu finden und immer positiv in die Zukunft blicken.
Nach anderthalb Jahren habe ich das TRAGO als zweiten Standort als Tagescafé dazugenommen. Ein unglaublicher workload, den ich nach und nach in professionellere Strukturen organisieren konnte.
So konnte ich mich Stück für Stück herausnehmen, um nicht mehr im Betrieb, sondern am Betrieb zu arbeiten.
Das hat uns sehr weitergebracht, viele Arbeitsplätze und zwei funktionierende Kiez-Gastronomien geschaffen, die es sogar durch die Corona-Zeit geschafft haben.
Kapitel 5
Heute bin ich unglaublich stolz.
Stolz für jede Hürde, die wir und ich genommen haben. Stolz auf die Leute, die die Idee am Anfang unterstützt haben. Stolz auf meinen Mann, der mich immer ermutigt, voranzugehen.
Ich durfte wachsen und habe auch die große Ehre und Verantwortung, vielleicht sogar anderen beim Wachsen zu helfen.
Ich bin stolz auf alle, mit denen ich zusammen arbeiten durfte und die jetzt im TRAGO und Kune arbeiten und in Zukunft arbeiten werden und jeden Tag wissen und supporten, dass wir richtige Kiezliebe in Gläser abfüllen.
Jede Person hat ihren eigenen Charakter. Es ist schon etwas Besonderes, dass man sich in der Gastro und bei uns selbst zeigen darf, wie man ist. Dabei arbeiten wir mit hohen Standards, denn unsere Gäste haben Erwartungen, die wir nicht enttäuschen wollen.
Kapitel 6
Natürlich kann ich mir keinen besseren Kiez vorstellen. Unsere Nachbar*innen aus dem Bistro Syrien, Goldhorn, der KuApo, Fummelei, Sleeve++, Mala, Bubu, Espresso ZackZack, Ubuntu, Vary, Nebenan, Vleischerei, Stammbar, Hackel, Fredo, Riso Club und viele weitere … sie alle sind wahre Herzchen.
Wir haben uns schon oft gegenseitig geholfen und supportet. Ob es eine Kiste Sekt um 2 Uhr Nachts ist, weil die eigenen Bestände leer getrunken wurden, extra Eiswürfel in der eigenen Kühltruhe parken beim Straßenfest oder die Kaffeemaschine reparieren am frühen Morgen.
Wenn jemand Hilfe braucht, hilft man sich hier. Ich weiß nicht, wie das woanders ist, aber ich bin sehr dankbar, hier so kollegiale Leute als Nachbar*innen zu haben. Danke! Ich habe das Gefühl, wir ziehen am selben Strang und machen den Kiez schöner.
Außerdem finde ich es unglaublich bereichernd, dass alle ihre unverwechselbare Handschrift haben und so die unterschiedlichsten Menschen aus verschiedenen Herkünften sich hier wohlfühlen. Auch wenn das manchmal eher nebeneinander als miteinander abläuft.
Kapitel 7
Wenn ich zurückblicke, dann sehe ich, dass Welten zwischen der ersten Idee und den beiden Läden von heute liegen.
Am Anfang habe ich ganz schön viel in diese ersten 50 Quadratmeter stecken wollen: Bibliothek, Konzertlocation, Brunch, Tapasplace, Siebdruckwerkstatt, Kino und noch mehr.
Ich habe auch gelernt: Manchmal muss man sich auf eins konzentrieren. Und auch wenn einiges sehr charmant war, sehe ich mit Freude auf abgeschlossene Erfolge zurück, wie den veganen Brunch, den wir nach zwei Jahren Corona wegrationieren mussten.
Wir haben unser Profil geschärft und wissen, was wir wollen und was für uns und euch funktioniert.
Für das Kune: Bar, Bierchen, Cocktails, goodtimes. Gemütlichkeit, gute Qualität, Kiezliebe.
Und für das TRAGO: Barista-Café, vegane Kuchen, Frühstück und Flohmarkt.
Denn zum Schluss sind wir diejenigen, die eure Wünsche erfüllen. Sonst macht es keinen Sinn.
Kapitel 8
Aus mir ist allmählich eine richtige Gastronomin geworden. Mit zwei Betrieben, einem tollen Team, mit guten Arbeitsplätzen, Steuerbüro, Betriebsausflügen und Unternehmenskultur.
Manches hat sich für mich am Anfang sperrig und sehr erwachsen angefühlt. Mittlerweile bin ich in meine Verantwortung hinein gewachsen und versuche ständig, meine Betriebe sowie auch mich persönlich zu verbessern und weiterzubilden.
Ich bin genauso enthusiastisch und respektvoll, wenn ich mit Lieferant*innen die Preise für Brötchen und Bier verhandele oder mit unserer Fotografin bespreche, welche Bilder wir für Instagram brauchen.
Alle Mitwirkenden wissen, dass es darum geht, das Kune und das TRAGO zu einem schönen Ort für den Kiez zu machen.
Kapitel 9
Und der wichtigste Teil davon seid ihr. Also die Gäste.
Danke für euren Support am Anfang und an jedem Tag bis heute.
Wir freuen uns jeden Tag diesen Stadtteil für euch mit Kaffee, Kuchen, Bierchen zu einem wunderbaren Ort zu machen.
Einem Ort, von dem ihr allen erzählen werdet. Weil er euch im Herzen begleitet, auch wenn ihr mal woanders seid.